570
118. Die Schlacht bei Sedan.
Granaten von Freund und Feind kreuzten sich über unseren Köpfen und die in den weichen Wiesengrund einschlagenden Projektile rissen tiefe Furchen. Dazwischen rasselten die knarrenden Mitraillensen mit ihrem ohrenzerreißenden^ schrillen, widerlichen Spektakel. Einzelne Schüsse und Kanonenschläge waren nicht mehr zu unterscheiden, ununterbrochen über das ganze weite Tal hin rollte der dröhnende Donner der Geschütze, daß die Erde bebte und die Lüfte zitterten. Von allen Höhen und den Waldmauern der Forste auf den fernen Bergen wurde der Widerhall tosend in hundertfachem Echo in das Tal zurückgeworfen, wo die Schallwellen zusammenschlugen und in einem einzigen dumpfen Brausen sich vereinten, daß die Kämpfer noch tagelang es im Trommelfell summen zu hören vermeinten. Nur das Rasseln der Mitrailleufen drang durch diesen Kosenden Chor durch, das Knattern der Gewehre wurde vom Brüllen der Kanonen verschlungen. — Ich bin in 16 Schlachten und Gefechten im Feuer gestanden, habe aber niemals ein so gewaltiges, fürchterliches Höllenkonzert erlebt.
Endlich, es war um die Mittagstuude, schien das Eingreisen der Abteilungen unserer 2. und 3. Division sich geltend zu machen, indem der Kampf sich wehr nach Norden und Osten zog. Doch brach das Gefecht in Bazeilles nicht ab.
Die Häuser und Scheunen am Eingänge des Dorses waren mit Vei> mundeten überfüllt und das schöne Schloß Dorival als Ausnahmsspital eingerichtet. Im reizenden Parke lagen und saßen die Verwundeten auf dem Rasen; die Ärzte hantierten; Stöhnen, Wimmern und Schmerzeusschreie erschollen. Fortwährend wurden Verwundete hereingetragen, darunter auch Hauptmann Heinrich Frhr. von Harold vom 2. Jägerbataillon, dem ich noch bei Wörth zugejubelt hatte, als er mit einem riesigen Transporte von Gefangenen bei uns vorbeikam. Jetzt lag er mit durchschossenem Beine auf der Bahre und nach zwei Monaten erlag er seiner Wunde in der Heimat. Die Häuser in den Straßen vor uns standen lichterloh in Flammen, kein Mensch versuchte zu löschen; unter dem Schutte und zwischen den glimmenden Balken lagen zahlreiche Leichen, zum Teil angekohlt. Patrouillen brachten Einwohner, die heimtückisch aus den Kellern den Unsrigen in den Rücken gefeuert, Verwundete massakriert und iu die Flammen geworfen, sich mit den Waffen in der Hand widersetzt haben sollten; wir mußten ihre Bewachung übernehmen. Die Unglücklichen sahen schrecklich aus, viele waren mit Kolben und Säbel schlimm zugerichtet worden, die Kleider hingen ihnen in Fetzen vom Leibe. Das war im Kampfe geschehen. Auf den verzerrten Gesichtern aber prägten sich die wilden Leidenschaften aus, der Fanatismus, der ihnen die Waffen in die Hand gedrückt hatte, die Haare hingen zerrauft ins Antlitz und die blutunterlaufenen Augen loderten in wilden Gluten. Wenige werden wohl den folgenden Morgen überlebt haben; über ein Ehepaar saß ich selbst tags darauf tirt Standgerichte.
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Frhr Heinrich Harold Jägerbataillon
Extrahierte Ortsnamen: Sedan Bazeilles Dorses Schloß_Dorival
Bilder aus der Winterschlacht in Masuren.
55
wehre! Einige von uns haben beobachtet, daß die Russen Verstärkungen erhalten. Telephonisch teilt der Beobachter dies unseren Batterien mit.
Ich bin an meinen Stand geeilt und sehe, wie die Granaten in die russischen Kolonnen und Unterstände einschlagen. Endlich läßt das Feuer nach. Ich drücke mich wieder in meine Ecke. Langsam schleichen die Stunden dahin.
Endlich werden wir abgelöst. Die Ablösung war eine gefährliche. Aber vom Glück begünstigt, kamen wir abends in unsere Quartiere. Wir hatten nur einen Verwundeten. Das waren meine ersten vierundzwanzig Stunden im Schützengraben. „Vorwärts."
3. Eilmärsche in Schnee und Eis.
In ganz Deutschland hat die Nachricht von dem großen Siege in der Winterschlacht in Masuren die Herzen höher schlagen lassen; aber wohl wenige daheim wissen Einzelheiten über ihren Verlauf und über die Leistungen der Truppen, die uns den beispiellosen Erfolg sicherten.
Am 8. Februar 1915 trat unsere Division den Vormarsch aus der Gegend von Tilsit an. Die Erde war mit Schnee bedeckt und scharf durchfroren, alle Flüsse und Seen waren von dickem Eise bedeckt. Am 5. Februar war außerdem starker Schneefall eingetreten, der das ganze Gelände mit einer hohen Schneedecke überzog. Auch setzte unmittelbar darnach ein eisigkalter Sturm mit Schneetreiben ein, der die Wege ungangbar machte. So mußte unsere Infanterie an vielen Stellen bis an die Knie im Schnee vormarschieren.
Die deutsche Führung hatte sich aber auf die besonderen Schwierigkeiten eines Winterfeldzuges wohl vorbereitet. Die Truppen waren mit warmer Bekleidung ausgestattet. Geschütze und andere Fahrzeuge wurden auf Schlittenkufen gesetzt, und an Stelle der schweren Bagagewagen benutzte man Schlitten. Trotzdem brauchten die Fahrzeuge doppelte Kräfte, um vorwärts zu kommen, und die Fußtruppen mußten sich mit ungeheuren Anstrengungen durcharbeiten. Der Autoverkehr hörte beinahe vollständig auf.
Bald stieß unsere Vorhut in den ausgedehnten Grenzwaldungen südlich der Memel auf den Feind. Es waren meist Kosaken mit einigen Maschinengewehren und Geschützen, die ohne große Mühe vertrieben werden konnten.
Am Abend überschritten die vordersten Teile der Division die Grenze, wir betraten zum ersten Male russischen Boden. Die Grenze war in dem verschneiten Gelände nicht zu erkennen, dafür zeigten uns aber die Bewohner der mit Vieh und Vorräten reichlich versehenen Höfe, daß wir in einem anderen Lande waren; denn in Ostpreußen hatten die Russen das von ihnen besetzte Gebiet vollständig zur Wüste gemacht. So mußte auch die Hauptmasse der Division die eisige Nacht unter freiem Himmel im Walde und in den Ruinen einst blühender Dörfer zubringen.
Am frühen Morgen des 9. Februar wurde der Vormarsch fortgesetzt. Unsere Marschstraße führte uns an einem Flüßchen mit steilen, völlig vereisten Usern entlang, das aus viele Meilen die Grenze zwischen Ostpreußen und Rußland bildet. Vor uns und an der linken Flanke hatten wir russische
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Ein Schreckenssonntag in Iohannisbnrg. 19
Als es nach vier Uhr ruhig wurde, gingen wir in die oberen Räume und nahmen Fensterplätze ein. Da sahen wir zwei Soldaten über die Eisenbahnschienen kommen. „Sind es Deutsche, sind es Russen?" Mutter ruft uns ans andere Fenster. Mein Himmel, über die Wiesen ziehen in dichten Scharen — Russen.
Was tun? Meine Schwester öffnet die Tür ein wenig und sieht hinaus. Zitternd kommt sie wieder. Zwei Russen kommen die Chaussee herunter auf unser Haus zu. Bleich vor Schrecken starren wir uns an. Mit aufgepflanztem Bajonett kommen sie heran. Jetzt sind sie am Garten, öffnen die Gartentür. „Barmherziger Himmel, was fangen wir an?" Da stehen sie auch schon vor uns mit wirrem Haar. „Sind Preußen hier?" fragt der eine polnisch. Mutter, die allein dieser Sprache mächtig ist, tritt vor und sagt: „Nein, es sind keine Preußen hier." Da sagt der andere: „Bitte, sprechen Sie deutsch." Als er unsere Unruhe bemerkt: „Ruhig sein, nur stille sein, wir suchen nur Soldaten. Sind keine auf dem Boden?" „Nein, bitte, Sie können sich überzeugen," sagt Vater, die Bodentür öffnend. Während dieses Gesprächs hatte uns der andere, viel wilder aussehende, von allen Seiten betastet und befühlt, ob wir Waffen an uns tragen. Dann grüßten sie, zogen sich zurück und schlossen hinter sich wie vorhin alle Türen.
Die Russen waren weiter vorgedrungen; etliche standen schon vor Johannisburg, andere waren noch im Walde. Ringsumher Feinde! Ganz verlassen kamen wir uns vor. Unser Haus, eine Schule, steht nämlich ganz allein am Waldesrand, einen Kilometer vom Dörfchen Niedzwedzen und zwei Kilometer von der Stadt Johannisburg. Um wenigstens unter Menschen zu sein, wollten wir ins Dorf gehen. Da setzte Maschinengewehrfeuer ein, und das war, wie wir später erfuhren, unsere Rettung. Jetzt freilich kam es uns recht ungelegen. Durch die Schulfenster, die nach der Stadt gehen, sahen wir einen Wagen im vollsten Galopp der Stadt zufahren. Er gehörte einem Besitzer aus dem Dorfe Jegodnen und war mit dessen Habseligkeiten bepackt, aber von den Russen mit Beschlag gelegt.
Bald setzte auch wieder Geschützdonner ein, deutscher Geschützdonner; denn unsere braven Truppen hatten uns nicht verlassen und waren zur Hilfe, zur Befreiung hergekommen. In kleinen Zwischenräumen prasselten die Kugeln der Maschinengewehre wie Regen herunter. Verängstigt saßen wir wieder im Keller. Nun arbeitete nur noch die deutsche Artillerie. Die Kugeln sausten und zischten über unser Haus. Bei jedem Schuß dachten wir: „Der trifft unser Haus, nun ist's vorbei." Doch es war nicht vorbei, nein.
Um sechs Uhr sahen wir die russische Kavallerie zurücksprengen; dieser folgten etwa 40 gesattelte, doch herrenlose Pferde. Eins davon war angeschossen und hinkte langsam nach.
Gegen sieben Uhr hörten die Kanonenschüsse nach und nach auf, und nur vereinzelt fiel ein Gewehrschuß. Nun getrauten wir uns auch, aus dem Keller hervorzukommen. Doch ein schreckliches Bild sahen wir. Ringsherum brannte es. Die Feuer hoben sich in der Dunkelheit gespensterhaft ab. In dem kleinen Dörfchen Sparken sind 14 Gehöfte niedergebrannt.
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§. 26. Napoleons Krieg mit Rußland 1812.
285
Heeres verstärken, Preußen ein Hilfscorps von 20000 Mann stellen, das dem linken Flügel unter Macdonald zugeteilt wurde. Sachsen, Bayern, Württemberger, Badener, Westfalen, Hessen, Holländer, Italiener, Polen, Spanier und Portugiesen mußten französischen Fahnen und Befehlen folgen. Nachdem Napoleon mit seiner Gemahlin im Mai 1812 noch einmal die Fürsten des Rheinbundes, den König von Preußen und den Kaiser von Östreich in Dresden um sich gesehen, überschritt er Ende Juni den Niemen. Der linke Flügel zog der Ostsee entlang, der rechte am unteren Bug ostwärts; mit dem Hauptheer, das die tüchtigsten Generale zu seinen Führern zählte, nahm Napoleon seinen Weg direkt auf Moskau, um Alexander im Herzen seines Reiches zu treffen. Die russischen Feldherren Barclay de Tolly und Bagration zogen ihre Truppen vor dem andringenden Feinde tiefer in ihr Land zurück, um ihn ins Verderben zu locken. Bei Smolensk kam es (17. Aug.) 1812 zu einer mörderischen Schlacht, und die Franzosen erstürmten die Stadt. Nun erhielt der alte General Kutusosf, welcher eben aus dem beendigten Türkenkriege siegreich zurückgekehrt war, den Oberbefehl über die Russen. Auch er zog sich zurück und brannte hinter sich alle Städte und Dörfer nieder, um dem Feinde eine Wüste zu überlassen. Am Flüßchen Moskwa, 30 Stunden von der alten Zarenstadt, machte er endlich halt. Am 7. Sept. wurde hier bei dem Dorfe Borodino eine äußerst blutige Schlacht geliefert; 25000 Mann fielen auf jeder Seite. Ney war der Held des Tages und erhielt den Titel Fürst von der Moskwa. Die Russen traten den Rückzug an, marschierten mit zusammengerollten Fahnen und ohne Spiel durch die Hauptstadt und nahmen den größten Teil der Einwohner unter der Leitung des Gouverneurs Grafen Ro stop sch in mit sich.
Eine unheimliche Stille herrschte in der alten Zarenstadt, als sich Napoleon am 14. September ihr näherte. Niemand erschien, um ihm die Schlüssel der Stadt zu überreichen, keine neugierige Menge drängte sich heran, ihn anzustaunen. Als die Truppen in die Stadt einzogen, herrschte Grabesstille in allen Straßen. Die Thüren waren verriegelt, die Fenster geschlossen, die Gewölbe gesperrt. Napoleon bezog den alten Zarenpalast, den Kreml. Aber alsbald entstand in mehreren Stadtteilen ein furchtbarer Brand, und ein Sturm erhob sich, welcher das Feuer rasch über die ganze Stadt trug. Gras Rostopschin hatte alle Löschwerkzeuge fortgeführt, überall brennbare Stoffe aufgehäuft und die Gefangenen zum Zwecke der
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Extrahierte Personennamen: Napoleons Napoleon Napoleon Alexander Alexander Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Bayern Westfalen Hessen Polen Dresden Ostsee Moskau Smolensk Moskwa Dorfe_Borodino Moskwa
155
Brie fe. .
ich etwas melden. Am ,4ten Juli mit Anbruche des
Tages fing die Kanonade und das Einwerfen der
Haubitzgranaten auf die schrecklichste Art an. Früh
nm acht Uhr kam eine solche Granate, in mein Zim-
zner, (sie mochte mehr als dreißig Pfund wiegen)
zerschmetterte die Stube meines Bedienten, und
zündete. Wir löschten den Brand, und machten alle
mögliche Anstalten. Weil es aber Granaten und
zwölfpfündige Kugeln auf mein Haus und die be-
nachbarte Gegend regnete, welches die Absicht ha-
den mochte, das zwanzig Schritte von meiner Woh-
nung befindliche Pulvermagazin in die Luft zu spren-
gen; so packte ich meine Sachen, so viel es ohne
Gefahr, erschossen zu werden, anging, zusammen,
schaffte sie theils in den Keller, theils in ein Ge-
wölbe, und flüchtete Abends um acht Uhr nach der
Neustadt zu D.. . Aber auch hier fing am igten
die Angst an, und in kurzer Zeit fuhren einige zwölf-
pfündige Kugeln, ins Haus, nahe bei mir vorbei.
In dieser Lebensgefahr brachten wir bis Sonn-
abends zu , wo die Daunische Armee die Seite von
der Neustadt befreite, welches die größte Gnade
war, die uns Gott in der Beängstigung erzeigen
konnte. Denn eben diesen Tag , besonders um zwölf
Uhr Mittags, ging das unglücklich? Bombardement
der Residenz an. Mehr als hundert Bomben fielen
in einer Zeit von drei Stunden auf die Kreuzgasse
und Kirche; um zwei Uhr brannte mein Haus, und
um vier Uhr wußte ich mein Schicksal. Die Bom-
den hatten das Gewölbe, wohin wir alle unsre
Sachen geschafft hatten, zerschmettert, und alles
verbrannt; der Keller aber war von den Soldaten,
die löschen sollten, rein ausgeplündert worden.
Mein Bedienter, der treuste Mensch von der Welt,
hatte sich so lange im Hanse aufgehalten, bis es
anfing einzustürzen, und hatte ein Dutzend solcher
Schurken hinaugeprügelt; endlich aber ward er
übermannt, und flüchtete zu mir nach Neustadt.
Vor Vergnügen, den ehrlichen Kerl, den ich schon
für erschossen oder verbrannt hielt, wieder zu sehen,
fühlte ich den Schmerz nur halb, den mir die Nach-
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225 -
Eile die erforderlichen Lazarettbedrfnisse an Bettstellen, Strohscken usw. an-geschafft und angemessene Lokale zu Lazaretten angewiesen wrden.
Zwar forderte der Magistrat am 17. Oktober noch zur Lieferung von Lazarett-bedrfnifsen auf, und es ging auch manches davon ein; aber hier lie sich mit Wahrheit der Ausspruch anwenden: Mas ist das unter so viele!
Auer der Nikolaikirche war kein einziges hiesiges ffentliches Gebude mehr frei; nun erfolgte sogar die Weisung, da die Huser ganzer Straen von ihren Bewohnern gerumt und zu Militrlazaretten eingerichtet werden sollten.
Am 18. Oktober frh erneuerte sich die Schlacht mit frchterlicher Wut. Aber wahrscheinlich muten die Franzosen bereits vormittags zu ahnen anfangen, da der Ausgang fr sie widrig sein werde. Denn es wurden die franzsischen Be-Hrden, wenn auch nicht in der Gre ihrer Forderungen, doch in der Art, wie sie solche machten, sanfter und milder. Ja, der Oberaufseher smtlicher Hospitler, Marchand, erbot sich nun sogar von freien Stcken, fr die hier befindlichen Kranken zu bezahlen. Auch lie er nicht undeutlich merken, da die Kranken hier zurckbleiben, die Armee aber Leipzig verlassen wrde.
Nachmittags brannte das Vorwerk Pfaffendorf nieder, und in demselben ver-brannten mehrere Hundert Kranke. Auf dem Brhl entstand durch hereingefallene Kugeln Feuer, das aber von der herbeigeeilten hiesigen Feuerwehr noch glcklich gelscht wurde, ehe es weiter um sich griff. Der Andrang der ankommenden Ber-wundeten wurde immer strker, aber sie muten nun mit Schuppen, Scheunen und Stllen sich begngen.
Gegen 4 Uhr nachmittags kam der spter mit in St. Helena gewesene General Bertrand mit seinem Korps zum Halleschen Tore herein auf hiesigem Markte an. Natrlich muten wir dieses Korps als ankommende neue Gste ansehen, und da wir zu den verlangten Erquickungen an Lebensmitteln auch nicht das Geringste hatten, so war diesen Hungernden und Drstenden gegenber unsere Lage hchst peinlich. Das Bertrandsche Korps konnte auf hiesigem Markte eine halbe Stunde lang sozusagen nur verschnaufen, dann wurde Marsch geschlagen, und es zog zum Ranstdter Tore hinaus, um zum Rckzge der franzsischen Armee nach Weien-fels zu den Weg zu subern und zu bahnen.
Die nchste Nacht brachte Napoleon in hiesiger Stadt zu, und zwar im Hotel de Prusse. Dieser sonst bermchtige Herrscher konnte doch nicht Steine zu Brot werden lassen, noch konnten seine sonst so furchtbaren Garden ihm solches ver-schaffen. Er mute mit dem fr ihn und sein starkes Gefolge von uns bei den hiesigen Bckern zusammengeholten geringen Vorrate, der nur 17 Groschen 6 Pfennige betrug, sich begngen.
Ein einleuchtenderer Beweis, wie groß der Brotmangel in Leipzig war, kann wohl kaum gefhrt werden. Der General Margaron, der etliche Wochen unser Stadtkommandant gewesen war, jetzt aber mit seiner Abteilung in der Nhe des Kuhturmes stand, schickte zwei Karolin auf das Rathaus mit der Bitte, man mge ihm dafr aus alter Bekanntschaft nur ein Kommibrot zukommen lassen.
Am 19. Oktober kam Napoleon mit einer sehr starken Begleitung zu Pferde von der Grimmaischen Strae her auf den Markt, und als Augenzeuge mu ich versichern, da weder während des halbstndigen Besuches, welchen er dem Könige von Sachsen machte, und bei dem er im Thomschen Hause eine Treppe hoch im Erker stand, noch bei seinem Wegreiten ngstlichkeit an ihm zu bemerken war; nur nahm er auffallend oft Tabak.
W. u. O. Heinze-Kinghorst, Quellenlesebuch, n. 15
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Extrahierte Personennamen: Marchand Helena Bertrand Napoleon Margaron Karolin Napoleon
- 212 -
kamen die unermdlichen Kmpfer bis zur nchsten Linie, ja strmten sie zum Teil schon in der Nacht . . . Mehr als man hoffen durfte, hatten mit einem Schlage die Treffsicherheit der Artillerie und der Ungestm der Infanterie er-reicht: Binnen 24 Stunden war Przasnysz von beiden Seiten flankiert und nicht mehr zu halten.
Am 14. Juli ging fast ununterbrochen ein feiner Regen nieder. Der Durchzug durch das ausgebrannte, vllig menschenleere Przasnysz war melancholisch genug, aber unsere Soldaten klappten wohlgemut die Zange zu und vereinigten sich sdlich davon zu einer Ramme, die nun die neue feindliche Stellung, die letzte geschlossene vor der Narewlinie, mitten entzweibrach. Die Russen hatten alle Zwischenlinien aufgegeben und schleunigst die seit Monaten vorbereitete, auerordentlich starke Verteidigungsstellung Wysogrod-Cichanow-Zielona-Szczuki-Krasnosielc besetzt, die wieder aus mehreren Reihen hintereinander bestand. Unsere Truppen mochten zunchst im Zweifel sein, ob sie hier noch strkeren Widerstand zu erwarten htten.
Der 15. Juli gab eine ernste Antwort. Als nach krftiger Artillerievorbereitung die Schtzenlinien vorzugehen begannen, empfing sie berall ein heftiges Gewehr-und Maschinengewehrfeuer. Der Feind setzte offenbar alles daran, das letzte Boll-werk bis zum uersten zu verteidigen. So ging es an den meisten Stellen nur langsam vorwrts, und sters mute die fr das Wirkungsschieen der Artillerie angesetzte Zeit verlngert werden. Trotz des hellen, sonnigen Wetters, das eine gute Beobachtung zulie, war der Erfolg nicht mehr so durchschlagend wie am ersten Tage ... Punkt 2 Uhr trat man zum Sturm an. Es war ein gewagtes Unternehmen, diesen Sto ohne die heranbeorderten Verstrkungen zu unter-nehmen. Sein Gelingen ist dem hervorragenden Zusammenwirken von Infanterie und schwerer Artillerie zu verdanken. Im vollen Vertrauen auf die Treffsicherheit der schwarzen" Brder sprangen die Schtzen durch das hohe Kornfeld vor, sobald eine Lage Granaten vor ihnen eingeschlagen war. Durch verabredete Zeichen gaben sie ihre neue Linie zu erkennen. Dann legte die Artillerie ihre Geschogarbe 100 Meter weiter vorwrts, und unter ihrem Schirm strzten jene in die frischen Granatlcher. So ging es ununterbrochen vorwrts. Weder das russische Schnell-seuer, noch das doppelte Drahthindernis vermochte den Sturm aufzuhalten. Als das deutsche Hurra rollte, liefen die Russen, verblsst durch solche Elementargewalt, in hellen Haufen davon. Um 2% Uhr erhielt der Divisionsstab vom linken Flgel die Fernsprechmeldung: Die feindliche Stellung ist genommen, und kaum war der Apparat frei, so traf vom rechten Flgel dieselbe Nachricht ein ... Die Wirkung dieses ersten Durchbruchs durch die russische Hauptstellung pflanzte sich im Laufe des Nachmittags und der Nacht der die ganze Front hin fort. Neue Krfte wurden in die Bresche geworfen und halfen sie erweitern ... Auch einzelne rckwrtige Zwischenstellungen des Feindes fielen bald unter den Sten unserer siegesfroh vorwrtseilenden Truppen, die erst vor der befestigten Narewlinie Halt machten... An dem schnen Erfolge haben naturgem auch die Truppen-teile, die zur Seite der mittleren Stokolonnen vorgingen, ihren erheblichen An-teil ... Die Aufmerksamkeit auch spterer Zeiten wird aber doch in erster Linie sich auf das Mittel- und Hauptstck dieser groß- und eigenartig von General von Gallwitz angelegten Offensive richten: auf die Zange von Przasnysz und den Rammsto von Zielona.
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- 228 -
bracht und kommen gut zu Schu. Detonationen werden gehrt. Eine Flottille verliert eines ihrer Boote durch schweren Treffer. Ein feindlicher Zerstrer wird, durch einen Torpedo getroffen, sinkend gesehen.
Nach diesem heftigen Stoe mitten in den berlegenen Feind hinein der-lieren die Gegner einander in Rauch und Pulverqualm aus Sicht. Ms das Ar-tilleriegefecht dabei kurze Zeit vollkommen verstummt, setzt der Flottenchef alle zur Verfgung stehenden Krfte zu einem neuen Swe an. Den Panzerkreuzern, die mit Flottillen-Geleitkreuzern und Torpedobooten wieder an der Spitze stehen, schlgt bald nach 9 Uhr aus dem Dunstschleier heftiges Feuer entgegen, das sich kurz darauf auch wieder auf die vorderste Division des Spitzengeschwaders legt. Die Panzerkreuzer werfen sich jetzt mit rcksichtslosem Einsatz, hchste Fahrt laufend, zum Heranbringen der Torpedoboote auf die feindliche Linie. Ein dichter Geschohagel berschttet sie auf ihrem ganzen Wege vorwrts.
Der Sturm wird bis auf 6000 m herangetragen. Mehrere Flottillen brechen zum Torpedoangriff vor und verschwinden bald im dichten Qualm. Sie kommen zu Schu und kehren, trotz schwerster Gegenwirkung, mit dem Verluste nur eines Bootes zu ihrem Geleitkreuzer zurck.
In der von Geschtzqualm und Schornsteingeruch erfllten Luft reit nach diesem zweiten wuchtigen Stoe der erbitterte Feuerkampf abermals ab.
Der ersten Angriffswelle unserer Torpedoboote folgt wenig spter eine zweite. Sie durchbricht die Qualmwolke und findet das feindliche Gros nicht mehr vor. Nur in nordstlicher Richtung wird noch eine groe Zahl Kleiner Kreuzer und Zerstrer bemerkt. Auch als der Flottenchef die Kampflinie etwa in gleicher Ordnung auf sdlichem und sdwestlichem Kurse, auf dem der Feind zuletzt gesehen worden ist, entwickelt und heranfhrt, wird der Gegner nicht mehr angetroffen. Wohin er vor dem vorbereiteten dritten Stoe ausgewichen ist, kann nicht festgestellt werden.
Mit dem Verstummen der Geschtze um 9 Uhr 30 abends kann man die Tagschlacht als beendet ansehen. Das materielle Ergebnis des dritten Abschnittes ist auf feiten des Gegners der Verlust eines seiner neuesten Linienschiffe der Queen Elizabeth"-Klasse, eines Schlachtkreuzers vom Jnvincible"-Typ, dreier Panzerkreuzer Desence", Black Prince" und Warrior" , eines Kleinen Kreuzers und von wenigstens zwei Zerstrern. Andere Schiffe, darunter eins der Queen Elizabeth"-Klasse und das Linienschiff Marfborough", zwei Kleine Kreuzer und mehrere Zerstrer, haben erhebliche Beschdigungen erlitten. Auf unserer Seite werden zwei Torpedoboote versenkt. Wiesbaden" bleibt auf dem Kampfplatz liegen und sinkt spter. Der Panzerkreuzer Ltzow" wird gefechtsunfhig. Schon nach dem lediglich materiellen Mastabe gemessen, schliet dieser Gefechtsabschnitt der Tagschlacht mit einem vollen Erfolge unserer Waffen.
132.
Das Eingreifen Rumniens.
27. August 1916.
Quelle: Reichstagsrede des Reichskanzlers von Bethmann Hollweg vom 28. September 1916.
Fundort: Hannoverscher Kurier vom 29. September 1916 (Morgenausgabe). Nr. 32 964.
Unsere Beziehungen zu Rumnien vor dem Kriege beruhten auf einem Bnd-nisvertrage, der, zunchst nur zwischen Rumnien und sterreich-Ungarn ab-
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Extrahierte Personennamen: August Bethmann_Hollweg
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gegen die Verfassung zu wagen; und am 26. Juli erschienen titele vom Könige unterzeichnete Ordonnanzen oder Befehle zur Umänderung der Verfassungscharte, wodurch die Preßfreiheit aufgehoben und die Wahlfreiheit der Deputirten beeinträchtigt wurde. Aber wie ein Vulkan brach der schon lange Stimmende Unrnuth des Volkes über die Verletzung seiner kostbarsten Rechte in lichten Flammen des Aufruhres aus. Noch Qm Abende desselben Tages wurden alle Werkstätten und Läden geschlossen, die königlichen Wappen und Schilder von den Häusern abgenommen oder zerschlagen; Massen von Arbeitern und von Bürgern jeder Klaffe wogten durch die Straßen der unermeßlichen Hauptstadt und stießen durch Geschrei eine beispiellose Unzufriedenheit aus. Ant folgenden Morgen waren die Zu-sammenrottungen noch zahlreicher und erbitterter; die Truppen von der Garde und Gensdarmerie gaben schon an mehren Plätzen Feuer auf sie; nur die Linientruppen nahmen keinen ^heil am Kampfe. Mit dem Schrei: „Es lebe die Linie! Nieder mit der Garde!" wurden an den Straßenausgängen mit ausgespannten Wagen und abgehauenen Bäumen Barrikaden oder Sperrungen gebildet. Auch das Straßenpflaster ward aufgriffen, und die Steine entweder zu Barrikaden gebraucht oder 'ft die anliegenden Häuser getragen und aus den Fenstern auf die Karlisten — so nannte man die Anhänger des Königes — ^abgeschleudert. Drei Tage hintereinander war ein wüthender, mörderischer Kampf in den Straßen von Paris. Der Donner des Geschützes erscholl wie in einer mit Sturm eroberten Stadt, das Blut floß in Strömen. Am 29. hatten endlich die Bürger ihren Sieg vollendet. Die Garde und Gensdarmerie flohen nach St. Cloud, wo sich der König während der drei Schreckenstage aufgehalten hatte. Die Linientruppen traten auf die Seite der Bürger; der General Gerard übernahm den Oberbefehl über sie, und der alte Lafayette trat wieder, wie Jahre 1789, an die Spitze der Nationalgarde. Schon am August war ganz Parts wieder beruhiget und bot einen Zierlichen Anblick dar. In nie gesehener Ordnung und Ein-
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